Die Eingewöhnung von Anton

ein Beitrag von Judith Sinnhuber


Das ist Anton. Dass er ein witziger kleiner Kerl ist, lässt sich vielleicht schon anhand dieses Fotos erahnen. Aber Anton ist darüber hinaus auch noch kontaktfreudig, redselig und begegnet uns überaus offen. Das ist einerseits ein Indiz dafür, dass Anton durch seine bisherigen Bindungserfahrungen mit einer gesunden Portion Urvertrauen ausgestattet ist. Andererseits müssen wir besonders während seiner Eingewöhnungsphase äußerst achtsam sein, um ihn nicht zu überfordern. Bei Kindern, die von Beginn an ohne Weinen in den Kindergarten gehen, lassen wir Erwachsenen uns nämlich manchmal dazu hinreißen, die Verweildauer rascher zu steigern, als wir das normalerweise tun, "weil er/sie das eh so problemlos schafft."


Anton interessiert sich für viele Dinge. Er beschäftigt sich gerne mit Autos, legt Puzzles oder tollt herum. Was er besonders gerne im Kindergarten spielt, sind "Als-ob-Spiele". Das sind Szenen, die er nachspielt, weil er sie aus seinem eigenen Familienalltag kennt. Aber dabei ahmt Anton diese Episoden aus einer anderen Perspektive nach. Er tut so als ob er selbst die erwachsene Person wäre und umsorgt die Puppe - Anton nennt sie "Marla" - ähnlich wie er das sonst an sich selber erlebt. Hier sieht man Anton dabei wie er Marla nach einem Bad abtrocknet. Dieses Als-ob-Spiel haben wir in den vergangenen Wochen schon einige Male wiederholt.


Hier ist Anton in Begleitung seines Bruders zu sehen. Dieser besucht ebenfalls unsere Gruppe und weicht seinem kleinen Bruder in diesen Tagen nur ungern von der Seite. Wir wissen nicht ganz genau, ob es ihm einfach einen riesen Spaß macht, mit Anton gemeinsam im Kindergarten zu sein oder ob er sich ein Stück weit dafür verantwortlich fühlt, Anton während seiner Eingewöhnung zur Seite zu stehen. Deshalb beobachten wir auch Jakob derzeit genau, um ihn davor zu bewahren, sich zu viel zuzumuten. Immer wieder ermuntern wir ihn dazu, auch mal mit seinen Freunden loszuziehen, und versichern ihm, dass wir uns gut um Anton kümmern werden.


Seit einigen Tagen ist Anton jetzt bis "nach der Schlafenszeit" im Kindergarten. Das hebe ich deshalb hervor, weil er seinen Eltern von Anfang an verkündet hat, er würde im Kindergarten nicht schlafen. Dementsprechend konsequent ignoriert er, sobald wir den Ruheraum betreten, all jene Gegenstände (Kuscheldecke, Bär und "Fopper"), die ihm eigentlich treue Begleiter während des Schlafens sind. Ich konnte ihm begreiflich machen, dass er auch bloß in seinem Bett sitzen könne und versprach ihm, ihn mit hinaus zu nehmen, sobald die anderen Kinder eingeschlafen sind. Trotzdem überwältigten ihn gerade in dieser Situation, in der es keine Ablenkung durch spielende Kinder gab, des Öfteren Wellen der Traurigkeit - die ersten überhaupt seit seinem Kindergartenbeginn. Sobald wir den Ruheraum wieder verlassen hatten, schien Anton jedes Mal wie ausgewechselt. Er ließ sich wieder auf mich ein, spielte mit mir bis zum Abholen und war "gut drauf". Ich kann nur vermuten, woran das liegen könnte. Vielleicht brauchte er erst noch Orientierung, weil er ja nicht wissen konnte, wie die Schlafenszeit abläuft. Vielleicht hatte er aber auch Angst, die Kontrolle zu verlieren und wehrte sich deshalb gegen das Einschlafen.

Zumindest heute hat er sich darauf einlassen können, loszulassen und ist eingeschlafen. Mal schauen, was die nächsten Tage bringen...